Mein Medium ist die Fotografie. Ich habe sie noch als „Handwerk“ erlernt, Computer schienen in weiter Ferne. Die nachträgliche Bildbearbeitung in der so genannten Paint-Box kostete damals
5.000 österreichische Schilling pro Viertelstunde, da haben wir, wenn möglich, meist die händische Retusche am Negativ oder an der Vergrößerung vorgezogen.
Mit dem Aufkommen der digitalen Fotografie hat sich der Berufsalltag in jeder Hinsicht verändert, in Teilen wurde es einfacher, in anderen beliebiger, manches ist für mich auch schwieriger geworden.
Für mich steht dieser Wandel in der Fotografie auch für einen gesamtgesellschaftlichen Wandel. Und manches hat direkt mit der Fotografie und ihrem scheinbaren Wahrheitsgehalt zu tun.
Speziell in den letzten Jahren hat die Bebilderung der Welt so zugenommen, dass oft vergessen wird, dass die Fotografie noch nie wahrhaftig war. Allein die Wahl des Ausschnitts macht sie
zur sehr persönlichen Wahrheit. Früher war die merkbare Retusche schwieriger, heute können mithilfe des Computers komplette nicht reale Welten dargestellt werden. Künstler wie Erik Johansson arbeiten mit diesen Mitteln und bauen surreale Szenen mit unzähligen Ebenen im Photoshop zusammen – durch absurde Größenunterschiede, aufgebogene Landschaften etc. ist die Surrealität aber immer ersichtlich.
Zukunftsangst wird von anderen mit Fake News geschürt – oft werden Bilder, Texte oder gefakete Zitate hergenommen, und in den letzten Jahren auch immer öfter von durchaus intelligenten und kritischen Menschen unüberprüft veröffentlicht. Die Überprüfung wird immer schwieriger, das Netz ist voll von Wahrheit und Unwahrheit, die Quellenangaben sind oft unvollständig oder falsch. Das war wohl auch früher nicht anders, nur fühlte sich nicht jede*r zum Journalisten/zur
Journalistin berufen, und absichtlich gestreute Unwahrheiten wurden zumindest nicht so schnell global verbreitet.
Das Coronavirus hat dieses Phänomen verstärkt und in wohl beinahe jeden Haushalt gestreut. Risse wegen unterschiedlicher Wahrnehmung und Glaubensfragen gehen mitten durch Freundschaften und Familien. Es bleibt nicht beim Corona-Thema, wie auch schon vorher wird über Genderfragen, über den Pflegenotstand, heute auch über den Ukraine-Krieg diskutiert.
Lösungen für all diese Fragen gibt es im linken Meinungsspektrum so viel verschiedene, dass die rechten Parteien, die das alles nicht so genau diskutieren und sofort einfache Lösungen anbieten,
in vielen Ländern und Gesellschaften die Mehrheiten bei Wahlen bekommen.
Mit meiner Kunst kann und will ich Diskussionen und Gespräche anregen, will ich Missstände aufzeigen und Menschen erreichen.
In der Objektfotografie habe ich zuletzt die Serie „MUTation“ fotografiert, sie bearbeitet die Zeit des ersten Auftretens des Coronavirus 2020 und ist eine leicht ironische Begriffserklärung
der verschiedenen uns inzwischen in Leib und Seele übergegangenen, anfangs so unbekannten Worte. In dieser Zeit fielen meine ansonsten regelmäßigen Theaterjobs aus, und ich war auf Naturfotografie umgestiegen. Allerdings fehlte mir das Theaterlicht und die Inszenierungen der Stücke sehr, also holte ich die Natur in mein Studio und inszenierte sie dort. Die Ironie, die in manchen Bildern aufblitzt, ist auch eine Form meiner Kritik am Umgang oder meines Amusements
über Entwicklungen aus dieser Zeit. Das Bild „Mittelmeer“ ist ganz und gar nicht ironisch gemeint, es verwendet nur genau solche Materialien aus der Natur, um die in dieser Zeit ganz aus den Schlagzeilen verschwundenen tausenden Toten, die beim Versuch nach Europa zu kommen, ertrunken sind, wieder ins Gespräch zu holen.

Mit meinen Theaterfotos kommen gesellschaftspolitische Themen direkt zu mir. Ich fotografiere in verschiedenen Häusern der freien Szene: Das KosmosTheater im siebenten Bezirk widmet sich
der Genderfrage aus vielen Perspektiven. Ins Theater Scala im fünften Bezirk werden Klassiker auf ihre Bedeutung in der Gegenwart abgeklopft oder auch in der ursprünglichen Form aufgeführt,
weil die Problematiken womöglich schon damals erkannt oder zumindest beschrieben wurden.
Die editta braun company aus Salzburg beschäftigt sich in ihren Tanzstücken fast immer mit dringlichen gesellschaftspolitischen Themen. Indem ich all das fotografiere, was bereits Kunst ist, leiste ich natürlich nur einen künstlerischen Teil-Beitrag, allerdings ist es mir wichtig, WAS ich fotografiere und daher sehe ich den Inhalt hier auch als Teil meines Statements dazu.
Zu anderen Motiven meiner Arbeit komme ich über mein Arbeiten in der feministischen Szene. Ich dokumentiere Veranstaltungen, Demonstrationen, Flashmobs und andere Performances, damit
hier ein diese Aktivitäten überlebendes Archiv entsteht, auf das ich auch gerne zur Unterstützung dieser Anliegen zurückgreife. Mein künstlerisches Herz pulsiert noch stärker bei inszenierten
Bildern, aber die Kraft einer großen Demonstration oder eines kurzen Flashmobs in Bilder zu übersetzen, ist für mich auch eine große Herausforderung und Freude.